Mit Algorithmen zu Blockbustern
Wie KI für die Medikamenten-Entwicklung immer wichtiger wird und Investoren davon profitieren können.
Samuel Croset. Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen mithilfe von Algorithmen sind in der Medikamentenentwicklung in zweierlei Hinsicht eine disruptive Technologie. Zum einen sind sie ein Vehikel, um Moleküle für die klinische Entwicklung zeit- und kostensparender zu identifizieren. Zum anderen lassen sich klinische Studien dank der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Daten so aufsetzen und Patienten so auswählen, dass sich Kosten, Zeitraum und vor allem das Risiko von Fehlschlägen deutlich reduzieren.
Auf der anderen Seite eröffnet künstliche Intelligenz die Chance für Biotechinvestoren, die Tiefe der Due-Diligence-Prüfung im Rahmen der Titelauswahl durch eine breitere Datenbasis zu verbessern. Die Arbeit der Portfoliomanager selbst wird künstliche Intelligenz nicht ersetzen. De facto soll sie aber zusätzliche Informationen für die Fundamentalanalyse stellen, um die Titelauswahl innerhalb des Investment-Universums wesentlich zu erleichtern.
BB Biotech hat in den letzten Jahren eine Vielzahl an Datensätzen mit unterschiedlichsten Arten von Informationen in ihre IT-Infrastruktur integriert. Dieser Datenpool enthält patientenbasierte Daten, Versicherungsansprüche, grundlegende Informationen über Präparate, Nachrichten, veröffentlichte Studien und Berichte, wissenschaftliche Literatur und die Informationen aus dem internationalen Netzwerk des Portfolio Management Teams. So vielfältig wie die Quellen sind auch die Erkenntnisse, die sich aus der Datenanalyse ableiten lassen. Ein Beispiel ist die Beschaffenheit des kommerziellen Potenzials, das sich aus dem Wirkprofil, dem Wettbewerb und der Quantifizierung der Epidemiologie und des unbefriedigten medizinischen Bedarfs der Patienten ergibt. Daneben sollen die Daten Aufschluss über die Patientenreise und den Weg durch das Gesundheitssystem bieten, indem Erstattungsmuster von Versicherungsgesellschaften untersucht werden, die letztlich für die Kosten der vermarkteten Therapien aufkommmen.
Konkret helfen moderne Analysen etwa bei der Behandlung schwerer Depressionen dabei, folgende komplexe Fragen zu verstehen: Wie viele Patienten sprechen auf eine Therapie nicht an und haben von einer Behandlung in eine neue Therapie gewechselt? Nach welcher Zeit und aus welchen Gründen? Was sind die vorgegebenen medizinischen Fortschritte für die aktuell zugelassenen Arzneien? Wie oft müssen die zugelassenen Arzneien eingenommen werden und wie – patientenfreundlich als Tablette oder etwa per Injektion – werden sie verabreicht?
Fokus auf Onkologie
Wir sind davon überzeugt, dass sich mit modernen Analysen in Zukunft vor allem in Indikationen wie Onkologie signifikante Fortschritte erzielen lassen. Hier sind große Mengen an Patienten- und allgemeinen globalen Daten verfügbar, mit denen sich Produkte mit dem besten Wirkprofil und Patienten, die besonders gut auf einen Wirkstoff ansprechen, identifizieren lassen. So entsteht ein Produkt, das ein besonders großes Potenzial für die Kommerzialisierung verspricht. Zahlreiche Unternehmen entwickeln neue Arzneimittelkandidaten nicht nur für die Onkologie, sondern für sämtliche Therapiebereiche, insbesondere Neurologie/Psychiatrie und Autoimmunerkrankungen, um heterogene Patientenpopulationen mithilfe von Biomarkern und Arzneimittelzielen, die durch KI entdeckt wurden, besser zu segmentieren.
Zugleich greifen Biotechs selbst in ihrer Forschung und Entwicklung auf algorithmenbasierte Tools zurück. Eine seit etwa 2015 wachsende Zahl an Firmen, von denen sich die meisten noch über Wagniskapital finanzieren, setzt ganz auf Computational Biotech, also die Kombination von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen. Die Mehrheit dieser Unternehmen forscht und entwickelt in der Neurologie und der Krebsmedizin. Bei den Medikamentengattungen zeigt sich, dass traditionelle niedermolekulare Substanzen, gefolgt von Biologika (Antikörper und Peptide), eindeutig überwiegen. Niedermolekulare Substanzen sind besonders attraktiv, weil sich die Moleküle einfacher in großen Mengen entwickeln und weil es bei ihnen mehr KI-Instrumente und Forschungsdaten gibt.
Wie vielversprechend KI-basierte Medikamentenkandidaten tatsächlich sind, darüber könnten die nächsten Jahre wichtige Rückschlüsse bringen. Bei einer wachsenden Zahl dieser Produkte beginnen die Wirksamkeitsstudien in der klinischen Phase II, die Mehrheit der mit Hilfe künstlicher Intelligenz entwickelten Produkte (42 %) befinden sich allerdings noch im präklinischen Stadium.
Autor Samuel Croset ist Data Scientist von BB Biotech bei Bellevue Asset Management
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