Europas Aktien sind deutlich unterbewertet

Für ein Investment in europäische Aktien gibt es gute Gründe: allen voran steigende Unternehmensgewinne, attraktive Bewertungen sowie ein Rückgang der politischen Unsicherheit.

In den vergangenen Jahren sind europäische Aktien US-Papieren doch recht deutlich hinterhergehinkt, wie der Vergleich mehrerer Indizes bestätigt. Wie Ali Masarwah, Director Editorial Research bei Morningstar Europe, festhält, hat etwa der Standardwerte-Index Morningstar US Market den Morningstar Europe jedes Jahr um durchschnittlich 600 Basispunkte übertroffen. Ivan Bouillot, Manager des BL-Equities Europe (ISIN: LU0093570330), sieht hinter der schwächeren Entwicklung der europäischen Börsen in der Vergangenheit vor allem zwei Ursachen: das ausbleibende Gewinnwachstum der Unternehmen sowie die politische Unsicherheit in der EU.

Steigende Unternehmensgewinne
Tatsächlich haben sich die Unternehmensgewinne in Europa in den letzten Jahren nicht so dynamisch entwickelt wie in den USA. Ein anderes Bild zeigt sich allerdings in den vergangenen Monaten. „Nach Rückgängen in den Jahren 2015 und 2016 wachsen die Unternehmensgewinne in Europa wieder“, erklärt Bernd Kiegler, Fondsmanager im Team „Aktien entwickelte Märkte“ bei der Raiffeisen KAG, gegenüber dem Börsen-Kurier. Er glaubt, dass sich das Gewinnwachstum – unterstützt von Strukturreformen und Investitionen – weiter fortsetzen und an Dynamik gewinnen wird. Für 2017 gehe er in Europa von einem Gewinnwachstum von 15 % aus.

„Eine gute Voraussetzung für europäische Aktien ist – neben den steigenden Unternehmensgewinnen – auch die langsam einsetzende konjunkturelle Erholung in der EU“, so Kiegler weiter. Allerdings hält der Experte fest, dass sich Europa noch sehr früh in der Erholungsphase befinde. Auch sei die Arbeitslosigkeit in der EU nach wie vor hoch. Für ein konstruktives Umfeld sorge wiederum auch die monetäre Politik der EZB. Nachsatz des Fondsmanagers: „Sie wird zarte konjunkturelle Pflänzchen weiter gießen.“

Für europäische Aktien spricht laut Kiegler auch die „deutliche Unterbewertung“ des europäischen Marktes. So zahle man für den US-Markt derzeit das 18fache der Jahresgewinne der Unternehmen, in Europa das 14- bis 15fache. Das erwartete Preis-Buchwert-Verhältnis des S&P 500 liege bei 3, im Stoxx 600 wären es dagegen 1,5. Auch die Dividendenrenditen wären in Europa (3 %) attraktiver als in den USA (2 %). „Man sollte allerdings als Investor nicht ausblenden, dass Aktien deutlich teurer sind, als sie es im November 2016 waren“, so Masarwah.

Heiße Picks
„Vor allem Value-Unternehmen und Qualitätsfirmen sollten die Börsenentwicklung in Europa unterstützen“, meint Bouillot. Für seinen Fonds suche er aus dem Anlageuniversum Unternehmen aus, die die attraktivsten Bewertungen und besten geschäftlichen Perspektiven aufweisen. Zu den Top-5-Positionen zählen derzeit SAP, Unilever, LVMH, Roche Holding und Dufry. In den vergangenen Monaten wurden zwei Positionen aufgebaut: Essilor, der weltweit größte Hersteller von Brillengläsern aus Frankreich, sowie Svenska Cellulosa Aktiebolaget, ein schwedischer Hersteller von Zellulose- und Papierprodukten.

Kiegler sucht im aktuellen Umfeld Unternehmen, die von der konjunkturellen Belebung in Europa – und auch auf globaler Ebene – profitieren können sowie eine gewisse Zyklizität und Zinssensitivität aufweisen und darüber hinaus auch niedrig bewertet wären. „Die Erholung der EU-Volkswirtschaft sollte mit einem gesunden Zinsniveau einhergehen, weshalb eine Zinsanhebung in Europa früher oder später im Raum stehen sollte“, so Kiegler. Zugekauft habe man zuletzt in seinem Team A.P. Moeller-Maersk.      

Autor: Mag. Patrick Baldia (redaktion@boersen-kurier.at)