Hochprozentige Lockrufe des AC Milan

Silvio Berlusconi verabschiedete sich nach drei Jahrzehnten vom lombardischen Traditionsverein. Fußballaffine Anleger, die dem heutigen AC Milan Geld zur Verfügung stellen, haben sich als „Spielball“ neureicher Hasardeure zu sehen.

Nach langwierigen Verhandlungen übernahm im April die „Rossoneri Sport Investment Lux“ 99,9 % der Associazione  Calcio Milan S.p.A. Als Mann an vorderster Front hinter dieser Gesellschaft, die sich recht spektakulär den schwarz-roten Traditionsklub für 740 Mio Euro einverleibte, steht der 48-jährige chinesische Investor Yonghong Li. Damit verabschiedete sich die Fininvest Holding AG (an der Silvio Berlusconis Mediaset AG mit 38,2 % und der Mondadori-Verlag mit 50 % beteiligt sind) endgültig aus der jahrzehntelangen „Patenschaft“ des populären Mailänder Sportklubs. Der plötzlich in den Medien präsente Li ist laut der Wirtschaftszeitung Il Sole 24 ORE in seinem Heimatland Eigentümer von Unternehmen der Verpackungsindustrie, Phosphatminen und Immobilien. Die Vermögenslage seiner Beteiligungen wird auf rund 500 Mio Euro beziffert. Entsprechend lässt der Kaufpreis des 1899 gegründeten Traditionsvereins aufhorchen und wirft Fragen auf. Das Ensemble rund um den aufsteigenden Chinesen finanzierte die Übernahme teilweise über ein Darlehen des Hedgefonds Elliott Management Corp. (im Besitz des US-Investors Paul Singer). Pikant sind die Bedingungen, die sich Elliott Management für das 303 Mio-USD-Darlehen herausnahm: 11 % (!) Verzinsung, dazu gesellt sich eine Vermittlungsprovision von 15 Mio Euro.

Der AC Milan setzte nach den zuletzt verfügbaren Daten ohne Transfererlöse knapp 200 Mio Euro/Jahr um. Damit wechselte der prominente Verein um einen Betrag von nicht weniger als 370 % (!) des Budgets den Eigentümer.

Fern von Transparenz
In italienischen Medien wurde der Zweck der dualen Bondausgabe über die Wiener Börse (die Laufzeit ist 16 Monate, ausgestattet mit 7,7 %-Kupons) transportiert, aber widersprüchlich: Nach Angaben der Fachzeitschrift Calcio e Finanza ist die Gesamtemission mit der anstehenden Rückzahlung des Elliott-Darlehens und für Flexibilität auf dem Spielermarkt verbunden. Il Sole 24 ORE definierte den singulären Zweck der Emission der „Serie 1“-Anleihe (ISIN: IT0005254435) in Höhe von 73,7 Mio Euro, aber als Refinanzierung des Klubs zur vorrangigen Ablöse von Krediten an italienische Banken.

Dagegen diene nur die Platzierung der „Serie 2“-Bonds (IT0005254443) mit einem Volumen von 54,3 Mio Euro der Liquiditätsbeschaffung für Spielertransfers. Die seit 26. Mai erfolgte Quotierung der hochverzinslichen Milan-Anleihen im Gesamtumfang von in Summe 128 Mio Euro auf dem Wiener Kurszettel, wird von der heimischen Börse als Standortgewinn gelobt. In einem „Private Placement“ wurden die Schuldscheine vorerst von Elliott Management selbst gezeichnet. Da noch kein Umsatz stattfand, gibt es aktuell keine Kursstellung. Spekuliert der US-Fond, bei einer Zahlungsunfähigkeit der Chinesen über eine „Bond to Stock-Conversion“ später weit günstiger in das AC Milan-Eigentumsverhältnis zu gelangen? Auf Anfrage zu nicht vorhandenen Prospekten und dem Risiko für diese Listung im Dritten Markt des „Corporates Standard“-Segments, äußert sich Florian Vanek, Abteilung „Market & Product Development“ der Wiener Börse „Die Hohe Stückelung von 100.000 Euro ist an börsenqualifizierte Personen gerichtet und ab dieser Größen-einheit sind nach EU-Richtlinien keine weiteren Unterlagen zu erstellen. Zudem erfordert es der Dritte Markt nicht. Die Auflagen wurden erfüllt.” Durch ein offensives Agieren sei die Wiener Milan-Quotierung gegen Konkurrenten (Luxemburg, Dublin) im Unter-nehmenssegment der Bonds durchgesetzt worden, erklärt Vanek. Als Begründung, weshalb komplett gezeichnete Emissionen überhaupt den Weg an die Börse finden sollen, nennt er die „steuerlichen Sekundäreffekte“ für italienische Gesellschaften. Die hohe Mindesteinheit und eine Kuponzahlungsfrequenz von sechs Monaten lässt offen, ob seitens des AC Milan oder Elliott beabsichtigt ist, in der Folge Anleihen-Fonds mit riskantem Anlageprofil über die Wiener Börse anzulocken.  Oder gar Anleger anzuziehen, die kompromisslos auf eine  Gewinnmaximierung schielen? So könnte der US-Fond natürlich nach und nach Kontingente auf die Angebotsseite stellen. Klar ist: Der Klub, der das Wappen
der Stadt Mailand im Emblem trägt, verlor während der vergangenen drei Jahre schätzungsweise 250 Mio Euro. Auch wenn für kommende Saison die Qualifikation für die Europa-League geschafft wurde, 43 % des Spielerpools besteht aus Legionären.  Spricht Bände für die galoppierende Kostenseite. Mit dem neuen Reglement der UEFA-Financial Fairplay Rules (FFP), ist die  derzeitige Finanzstruktur des Klubs zudem noch nicht in Einklang gebracht. Auf die niedrigen Anforderungen des Börsengesetzes (siehe „Disclaimer“ Dritter Markt der Wiener Börse), sollte ein Auge geworfen werden.

Ein „Geschäft“ für den Medienzaren
Bei einer Querbetrachtung eines anderen Schauplatzes fehlt es an einer eigenartigen Auf-fälligkeit in diesem Zusammenhang nicht: Zur Zeit der vermutlichen Einfädelung des Verkaufsdeals zu Jahresende, verdoppelte sich die Notiz der Mediaset-Aktie von rund 2,40 auf 4,80 Euro binnen weniger Handelstage. Ein Aufatmen im Umfeld des streitbaren Politikers Berlusconi, Fininvest habe die zuletzt sportlich nicht erfolgreiche Tochter zu einem absurd hohen Preis losschlagen können? Platzt bis Oktober 2018 die Finanzvereinbarung zwischen Li und Singer (aus welchem Grund auch immer), sieht die rechtliche Seite weiterer Bondholder in diesem Konstrukt unklar aus.

Was bietet die AC Milan AG noch an Perspektiven?  Einen glorreichen Namen und Emotionalität! Viele Leser sahen mit dem Spielerpotential des Klubs in den 90er-Jahren (Ruud Gullit, Marco Van Basten, Paolo Maldini und Frank Rijkaard) Fußball von einem anderen Stern. Von einem „anderen Stern“ steht auch die Verzinsung der Anleihen. Eine nüchterne Herangehensweise ist ratsam. Bekanntlich schaltet nichts eher ein rationelles Handeln aus als Sportleidenschaft und Partnerschaften.

Und in letzter Instanz steht nicht ein Gianluigi Buffon zur Verfügung, um das Schlimmste zu verhindern.

Autor: Roman Steinbauer  (redaktion@boersen-kurier.at)