Wirtschaftsboost: Digital ist nicht egal

Ein reibungslos funktionierender Binnenmarkt könnte 415 Mrd Euro Wirtschaftsleistung und hunderttausende Arbeitsplätze bringen.

Vor zwei Jahren wurde von der EU die „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt“ geboren. Von der Kommission wurden dazu 35 Legislativvorschläge und politische Initiativen präsentiert. Nun hat die EU-Behörde kürzlich eine „Halbzeitbewertung“ vorgenommen. Darin nennt sie drei Bereiche, in denen am Weg zum digitalen Binnenmarkt weitere Maßnahmen erforderlich sind: Erstens, das volle Potenzial der europäischen Datenwirtschaft müsse ausgeschöpft werden.

Zweitens, europäische Interessen und Werte müssen geschützt werden: durch die „Bewältigung der Herausforderungen im Bereich der Cybersicherheit“. Und drittens sollen Online-Plattformen als „verantwortungsvolle Akteure in einem fairen Ökosystem des Internet“ gefördert werden. Der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Andrus Ansip, fordert daher: „Wir brauchen cybersichere Infrastrukturen in allen Teilen der EU, damit alle überall von den Vorteilen der Hochgeschwindigkeitsanbindung in einem sicheren Umfeld profitieren können.“ Man habe auf EU-Ebene bereits strenge Vorschriften für den Schutz personenbezogener Daten beschlossen. „Jetzt müssen wir für den freien Fluss nicht personenbezogener Daten sorgen, um etwa die Vernetzung von Fahrzeugen und digitalen Gesundheitsdiensten zu unterstützen.“ Und nicht zuletzt, „brauchen wir Hochleistungsrechner und digital geschulte Arbeitnehmer, um das Beste aus der Datenwirtschaft zu machen“, so Ansip.

Begründet wird die Strategie von der Kommission mit beeindruckenden Zahlen: Ein reibungslos funktionierender digitaler Binnenmarkt könnte mit 415 Mrd Euro jährlich (!) zu unserer Wirtschaftsleistung und zur Schaffung von Hunderttausenden neuen Arbeitsplätze beitragen.

To-do-Liste
Im Handlungsfeld Cybersicherheit will die Kommission bis September diesen Jahres die europäische Cybersicherheitsstrategie um diese an den neuen EU-weiten Rahmen für Cybersicherheit anzupassen. Dafür wird man Vorschläge für zusätzliche Maßnahmen auf dem Gebiet der Cybersicherheitsnormen sowie der Zertifizierung und Kennzeichnung ausarbeiten, um die Cybersecurity vernetzter Objekte zu erhöhen. Im Bereich der Online-Plattformen will die Kommission bis Ende 2017 eine Initiative gegen missbräuchliche Vertragsklauseln und unlautere Handelspraktiken vorbereiten, die in den Beziehungen zwischen Plattformen und Unternehmen festgestellt wurden. Wettbewerbsrechtliche Beschlüsse gibt es schon, siehe Google. Eines der Ziele sind Fortschritte bei den verfahrenstechnischen Grundsätzen für die Entfernung illegaler Inhalte (Melde- und Abhilfeverfahren) auf der Grundlage von Transparenz und Schutz der Grundrechte. Und in der Datenwirtschaft bereitet die Kommission eine Rechtsetzungsinitiative zum grenzüberschreitenden freien Fluss nicht personenbezogener Daten vor, sowie eine Initiative zur Zugänglichkeit und Weiterverwendung öffentlicher und öffentlich finanzierter Daten.

Zugänge und Sicherheit
Betroffen vom digitalen Binnenmarkt sind natürlich auch die Finanzwirtschaft und deren Kunden. Der Börsen-Kurier hörte sich um, was man sich in der Branche in Sachen Strategie für einen digitalen Binnenmarkt wünscht: Dieser sollte einerseits grenzübergreifende Zugänge zu Finanzdienstleistungen erleichtern, und andererseits gleichzeitig die (grenzübergreifende) Datensicherheit gewährleisten. Das fordert etwa Martin Krebs, Global Head of Retail Investment Product Solutions der ING-DiBa AG. Die ING Group ist in 13 Ländern (in West- und Zentraleuropa sowie Türkei) aktiv und zählt zu den weltweit stärksten Digitalbankengruppen. Krebs sitzt in der Zentrale Frankfurt. Zwar sei man mit SEPA, MiFID 2 und dem EU-Pass für Fonds gut unterwegs, aber wo es „noch hakt“, sei etwa die steuerliche Behandlung von Fonds und Erträgen. Da sei Europa noch „fragmentiert“, das sei noch immer national unterschiedlich gehandhabt und „lokal dynamisch“. Wenn man als Plattform in nationalen Märkten nicht nur als Fondsverkäufer, sondern auch als Wertpapierbroker tätig sein wolle, müsse man die unterschiedlichen nationalen steuerlichen Behandlungen auf die Plattform stellen bzw. diese national adaptieren. Die deutschen und österreichischen Regeln etwa seien zwar ähnlich aber nicht ganz. Und zu den Zugängen gehöre eben auch „Sicherheit der Zugänge“. Beim Thema Datensicherheit seien die Kunden sehr sensibel. Wie die jüngsten Cyberattacken auf große Unternehmen in mehreren Ländern gezeigt haben, wird noch immer national damit umgegangen bzw. dagegen vorgegangen. Aber grenzüberschreitende Hackerangriffe ließen sich nur schwer national bekämpfen oder gar vorbeugen.

Autor: Mag. Manfred Kainz  (redaktion@boersen-kurier.at)