Gut gemeint, schlecht gemacht?

Die EU will den Finanzmarkt nachhaltiger gestalten, stößt allerdings auf Kritik.

Harald Kolerus.Nachhaltiges Wirtschaften ist kein „Orchideenthema“ mehr und Begriffe wie SRI (Socially responsible investing) oder ESG (Environmental, Social, Governance) sind in aller Munde. Allerdings führt die Thematik, nicht zuletzt bei Anlegern, mitunter auch zur Verwirrung: Was ist nun tatsächlich ethisch korrekt und was nicht?

Diese Gretchenfrage will die EU-Kommission im Rahmen ihres Aktionsplans für nachhaltiges Wachstums beantworten. Dezidiertes Ziel ist die Umlenkung der Kapitalströme: Durch die erhöhte Berücksichtigung klimapolitischer Risiken soll ein langfristigeres Denken in der Kapitalmarktanlage sowie ein stabilerer Finanzmarkt gefördert werden. (Der Börsen-Kurier hat berichtet.)

Dazu will die Kommission neben verschiedenen Maßnahmen, wie mehr Transparenz der Anbieter von Investmentprodukten oder einem einheitlichen Gütesiegel (EU Eco-Label), den Nachhaltigkeitsgedanken auch in die Finanzberatung unter MiFID II verstärkt einbringen. Zum letztgenannten Punkt gibt es Lob aber auch Kritik. Denn Finanzberater sollen (voraussichtlich ab dem 3. Quartal 2020) dazu verpflichtet werden, potenzielle Anleger dezidiert nach deren ESG-Präferenzen zu befragen und zu beraten. Der Berater sollte auch begründen, warum sich dieses oder jenes Produkt im Sinne der Nachhaltigkeit für den Investor eignet.

DerBörsen-Kurier hat dazu mit Otto Lucius, er ist Regulierungsexperte des Finanzplaner Forums und Vorstandsmitglied des Österreichischen Verbandes Financial Planners, gesprochen. Der Fachmann meint: „Wir sind keinesfalls gegen den Aktionsplan, denn die Dekarbonisierung der Wirtschaft sowie prinzipiell Nachhaltigkeit sind unumstritten wichtig und richtig. Die Anwendung von ESG-Kriterien unterstützt ökologische und soziale Themen sowie Aspekte guter Unternehmensführung, die letztlich auch den wirtschaftlichen Erfolg einer Anlage beeinflussen. Deshalb begrüßen wir dieses Regulierungsvorhaben.“

Blumige“ Worte
Was Lucius allerdings kritisiert, ist die bedingungslose Verantwortung des Beraters, ohne dass es zuvor zu einer Einigung über einheitliche Bewertungsmaßstäbe gekommen ist. Damit ist die sogenannte Taxonomie, also in diesem Fall ein normiertes Bewertungsschema für Nachhaltigkeit, gemeint, an dem die EU-Kommission derzeit feilt.

Lucius: „Die Taxonomie ist aber noch unausgegoren. Außerdem sind blumige Definitionen wie umweltfreundliche Wirtschaft oder Landwirtschaft zu befürchten. Stattdessen müssen harte Fakten auf den Tisch, ohne diese könnte es sein, dass der Berater übrigbleibt.“ Der Experte warnt in diesem Zusammenhang vor unkalkulierbaren Haftungsrisiken für Berater und Finanzdienstleistungsunternehmen. „Wir fordern deshalb ein eindeutiges und harmonisiertes Klassifizierungsschema. Sonst wird es weder Klarheit und Vergleichbarkeit für Verbraucher geben, noch Rechtssicherheit in der Beratung“, meint Lucius weiter. Nachsatz: „Die Regulatoren scheinen sich vom Bild des mündigen Investors verabschiedet zu haben. Warum soll der Berater letztverantwortlich sein?“

Solide Basis gefordert
Ähnlich äußert sich auch Franz Rudorfer, er ist der Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung in der WKO, gegenüber dem Börsen-Kurier: „Gerade in der Finanzberatung muss man sehr exakt arbeiten. Ganz einfach ausgedrückt: Wenn ich zu dem Thema Nachhaltigkeit beraten soll, muss ich auch wissen, was nachhaltige Produkte sind. Das ist aber unmöglich feststellbar, solange noch keine Taxonomie vorliegt. Sobald es aber eine gültige und unantastbare Basis gibt, sträuben wir uns natürlich nicht, Nachhaltigkeit in die Beratung zu integrieren.“ Dass es schwierig ist, solch eine solide Basis zu finden, liegt in der Natur der Sache: Es gibt einfach sehr unterschiedliche Ansätze zum Verständnis von Nachhaltigkeit. Rudorfer gibt ein anschauliches Beispiel: „In Frankreich herrscht aufgrund ihrer CO2-Bilanz die Meinung vor, das Kernkraft nachhaltig ist; in Deutschland sieht man das wiederum anders.“ Ganz zu schweigen von Österreich, wo Atomkraft sowieso als No-Go gilt.

Abschließend sei angemerkt, dass ESG bereits heute aufgrund der steigenden Nachfrage eine wichtige Rolle in Beratungsgesprächen spielt. Vor einer Verpflichtung muss die EU aber noch ganze Arbeit leisten und Tatsachen schaffen, die Berater nicht alleine auf der Wiese der „grünen Investments“ stehen lassen.

Foto: Capri23auto/pixelio