Glasgow: Ruf zu Zusammenarbeit

Der Klimawandel verlangt einen kompletten Umbau der Wirtschaft.

Harald Kolerus. Am Weltklimagipfel von Glasgow (COP26) gibt es wahrlich alle Hände voll zu tun, denn die Situation ist bedrohlich: Die Erderwärmung schreitet schnell voran und scheint verschiedenen Simulationen zufolge das 1,5-Grad-Celsius-Ziel der Konferenz von Paris deutlich zu verfehlen. Laut dem Weltklimarat IPCC könnte der Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter ein Plus von ca. 4,8 Grad Celsius erreichen. Dabei handelt es sich um das Worst-Case-Szenario, dem eine globale Wirtschaft zugrunde liegt, die den Energiebedarf nicht drosselt und vor allem mit fossilen Brennstoffen stillt.

Live aus Glasgow
Leider ist der Eintritt dieser Prognose alles andere als unwahrscheinlich, aber doch noch nicht ausgemachte Sache. Damit es nicht zum Schlimmsten kommt, treffen sich am COP26 Staatenlenker und Klimafachleute.

Der Börsen-Kurier hatte die Möglichkeit, an einer von Lombard Odier veranstalteten Diskussionsrunde live aus Glasgow (virtuell) teilzunehmen. Zu den hochkarätigen Teilnehmern zählte der Schweizer Finanzminister Ueli Maurer. Er meinte: „Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Alle Staaten müssen kooperieren, um hier Lösungen zu finden. Aber auch Unternehmen sind gefragt; wenn sie keine Politik der Klimaneutralität verfolgen, werden sie in der Zukunft mit hohen Risiken konfrontiert sein.“

Diskussions-Moderator Patrick Odier, Senior Managing Partner Lombard Odier Group, warf die Frage auf, wie die Umleitung von Finanzströmen und Kapital in eine „grüne Wirtschaft“ möglich sei. Nicht zuletzt der Finanzindustrie falle laut Maurer hier eine wichtige Rolle zu, wobei es entscheidend sei, Transparenz für die Investoren zu schaffen. Was staatliche Eingriffe betrifft, zeigte sich der Finanzminister etwas vorsichtig, bei solchen Regulatorien sollte man zurückhaltend sein, um die Markteffizienz nicht zu gefährden.

Auf die Bedeutung des Finanzsektors wies auch Daniela Stoffel hin, Staatssekretärin für internationale Finanzen in der Eidgenössischen Regierung: „Wir stehen vor einer kompletten und fundamentalen Umstrukturierung der gesamten Weltwirtschaft. Damit das gelingt, stehen am Finanzmarkt Instrumente wie z. B. Public-private-Partnerships zur Entwicklung von neuen Technologien oder Green Bonds zum Sammeln und Lenken von Kapital zur Verfügung.“

Wo die Sonne scheint
Von Cameron Hepburn, Professor für Umwelt-Ökonomie an der Universität Oxford, erfuhr man, welche Staaten vom grünen Transformationsprozess profitieren könnten: „Dazu zählen Länder, die die Möglichkeit haben, günstig erneuerbare Energie herzustellen, wie etwa Saudi-Arabien aufgrund der starken Sonneneinstrahlung. Gute Karten haben wegen der günstigen klimatischen Bedingungen für Solarenergie auch Nord- und Südafrika oder Australien.“ Der Experte verwies darauf, dass Erneuerbare Energie rasant an Effizienz und Konkurrenzfähigkeit gewinnt: „Man sieht das etwa bei der Batterieproduktion, wo die Kosten signifikant gefallen sind. Auch ist Sonnenenergie in vielen Staaten bereits die günstigere Energiequelle als fossile Brennstoffe.“

Attacke des Homo Sapiens
Seinen Sinn für (schwarzen) britischen Humor bewies schließlich Sir Martin Smith, Gründer der „Smith School of Enterprise and the Environment“: „Stellen Sie sich vor, die Erde kommt auf ihrer Umlaufbahn mit einem anderen Planeten ins Gespräch und klagt: ‚Mir geht es nicht gut. Ich dürfte unter einem massiven Befall von Homo Sapiens leiden!‘ Darauf der andere Planet: ‚Keine Sorge, das dauert nicht mehr lange.‘“ Klingt amüsant, ist aber in Wirklichkeit todernst.

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