Emerging Markets: Weshalb vor allem Asien lockt

Die Wachstumsaussichten sind intakt, die Anlegerbasis wird zunehmend stabiler.

Raja Korinek. Die Ukraine-Krise hat die Welt der Schwellenländer aufgerüttelt. Russische Aktien sind für heimische Anleger derzeit nicht handelbar. Auch die Indexanbieter haben reagiert. Am 4. April verkündete etwa die Wiener Börse, dass die 17 russischen Depository Receipts (ADRs, GDRs) seit Verhängung der Sanktionen bis auf weiteres vom Handel ausgesetzt sind. Auch einige der Indizes, die den russischen Aktienmarkt abbilden, sind bis zur Aufhebung der Sanktionen gegen russische Aktien vom Handel ausgesetzt.

Doch auch Nachrichten aus China haben viele Anleger verunsichert. Zuletzt wurden erneut harte Lockdowns in Shanghai verhängt. Strenge Regularien schränken seit dem Vorjahr obendrein die Geschäftsmöglichkeiten von Internetriesen wie Tencent (ISIN: KYG75721634) ein. Auch die kräftige Zinswende belastet die Märkte in den Schwellenländern teilweise. In Brasilien haben die Leitzinsen bereits 10,75 % erreicht, in Mexiko 6,5 %.

Auch an der Börse besteht Aufholbedarf
Die Folgen spiegeln sich auch in der Wertentwicklung auf den Börsen aus den Regionen wider. Auf ein Jahr liegt das Minus beim MSCI Emerging Markets Index bei rund 11,4 %. Demgegenüber verzeichnete der MSCI Weltindex – der auf Aktien aus den Industrienationen setzt – ein Plus von 10,12 %. Die Daten sind per Ende März.

Michael Altintzoglou, Fondsmanager des „FvS Global Emerging Markets Equities“ (LU1012015118) beim deutschen Vermögensverwalter Flossbach von Storch, will die jüngsten Entwicklungen jedoch nicht überbewerten. Er räumt den Regionen noch reichliche Wachstumschancen ein, die jedoch selektiv genutzt werden sollten. Russland etwa habe man länger beobachtet und sich bereits vor Ausbruch des Konflikts gegen ein Aktieninvestment entschieden.

Altintzoglou bemängelt etwa die fehlende Rechtssicherheit und die relativ einseitige Wirtschaftsstruktur, wie er sagt: „Das Land ist sehr abhängig von Rohstoffen. Das ist kein tragfähiges Wachstumsmodell, zumal solche Branchenunternehmen keine Preissetzungsmacht haben, sondern sich nach den Marktpreisen richten müssen.“

Steigende Compliance-Kosten
In China sieht der Marktprofi rund um die regulatorischen Verschärfungen das Schlimmste ausgestanden. Immerhin habe Chinas Führung betont, den Konzernen mit solchen Maßnahmen nicht schaden zu wollen. Vielmehr stünde laut Peking die gesellschaftliche Gerechtigkeit im Mittelpunkt. „Die betroffenen Konzerne müssen jetzt zwar mehr Geld für Compliance aufwenden. Dafür sind deren Bewertungen an der Börse nun aber günstiger“, wiegelt Altintzoglou ab. Im „FvS“ zählt beispielsweise Tencent zu den größten Positionen. Doch auch im Finanzbereich werden Chancen genutzt, etwa mit dem Versicherungsriesen AIA Group (HK0000069689). Die zahlungskräftige Mittelschicht in der Region wächst, der Bedarf an entsprechenden Produkten ebenso.

Regional nimmt Indien die zweitgrößte Gewichtung ein. Der hohe Ölpreis belaste zwar die Leistungsbilanz, „dennoch steht das Land grundsätzlich auf soliden Beinen“. Aus Sicht eines Anlegers stimmt ihn der Umstand positiv, dass immer mehr Menschen aus dem Inland ihr Geld am indischen Aktienmarkt investieren, die Anlegerbasis damit stabiler wird.

Altintzoglou nutzt aber auch Chancen in den Industrienationen, was die Gewichtung von US-Titeln mit rund 13,5 % im Fonds erklärt: „Wichtig ist, dass es sich um solide Wachstumskonzerne handelt, die einen guten Teil ihres Umsatzes in den Emerging Markets erzielen.“

Foto: Pixelio / Martina Marten