Europas Konzerne in robuster Verfassung

Aber: Trotz übertroffener Gewinnprognosen werden Erwartungen reduziert.

Roman Steinbauer. Angesichts eines krisengeschüttelten Europas überrascht die Resistenz der Vorzeigeunternehmen am Kontinent. In der Industriehochburg Deutschland präsentierten 60 % der Dax-Gesellschaften bereits für das 2. Quartal die Ergebnisse. In diesem Geschäftsabschnitt, in dem immer-hin die kriegerische Entwicklung in der Ukraine erstmals voll durchschlug, übertrafen mehr als 70 % der Konzerne die (seit Feber drastisch gekürzten) Gewinnerwartungen. Ungeachtet dessen trüben sich die Perspektiven weiter ein. So veröffentlichte das Handelsblatt in der Vorwoche eine Auswertung, wonach die Analysten-Zunft seit dem 1. Juni von 160 ins Auge gefassten Unternehmen aller Dax-Kategorien bei 118 Gesellschaften die Gewinnprognosen auf Sicht von einem Jahr erneut kürzten. Nur zu 27 Titeln hievten die Finanzprofis die Erwartungen bis Sommer 2023 nach oben.

Dollar-Stärke führt zu Kurzfrist-Verzerrung
Einige Großunternehmen legten ein weit besseres Geschäft vor als bislang erwartet. Sehr positiv überraschten die Chemie- bzw. Pharmafirmen Henkel (ISIN: DE0006048408) und Merck (DE0006599905), die Mercedes Benz Group (DE0007100000) sowie die Deutsche Bank (DE0005140008). Eine nachhaltige Abschwächung der Nachfrage ist nicht in Sicht. Alle Dax-Vertreter erwirtschafteten von April bis Juni einen Gesamtumsatz von 450 Mrd Euro, die zweithöchsten Erlöse in dieser Geschäftsperiode. Berücksichtigt sei aber, dass der oft beträchtliche Ergebnisanteil des US-Marktes durch den starken US-Dollar angeschoben wurde.

Teils überzeugende Finanz- und Chemietitel
Auch die Zurich Insurance (CH0011075394), die ING (NL0011821202), Münchner Rück (DE0008430026) und die Swiss Life (CH0014852781) sowie die AXA (FR0000120628) übertrafen die Gewinnschätzungen. Abgeschwächt trifft dies auf Unipol (IT0004810054) und Aegon (NL0000303709) zu, während die Allianz (DE0008404005) enttäuschte. Im Bankensegment zeigten die Credit Agricole (FR0000045072) und die Commerzbank (DE000CBK100) starke Zahlen. Eine Sondersituation gibt es hingegen bei der Société Générale (FR0000130809): Der Ausstieg aus dem Russland-Geschäft führte zu einem Rutsch in die Verlustzone.

Bei den konjunktursensiblen Kfz-Zulieferern überzeugte nur die Muttergesellschaft der deutschen Hella Gruppe, Faurecia (FR0000121147). Schwach hingegen Continental (DE0005439004) und der Spezialist für Bordnetzsysteme, Leoni (trennt sich derzeit von der Kabeldivision; DE0005408884), die das schwierige Umfeld bestätigten. Konträr die Situation beim Autoverleiher Sixt (DE0007231326), der ein historisches Rekordergebnis hinlegte.

Verblüffend solide Zahlen bei der Deutschen Telekom (DE0005557508), deren Aktie sich seit zwei Jahrzehnten auf ein Spitzenniveau hob. In der Chemie- und Pharma-Kategorie erfreuten Bayer (DE000BAY0017) und BASF (DE000BASF111) die Aktionäre, DSM (NL0000009827) und die dänische Novo Nordisk (DK0060534915) erfüllten das Soll. Im Reich des Maschinenbaus verfehlten der Gigant Siemens (DE0007236101) und Wacker Neuson (DE000WACK012) die Ziele. Herausragend hingegen die Entwicklung bei Krones (DE0006335003), Dürr (DE0005565204) und Jungheinrich (DE0006219934).

Lukrativer Stahl, Logistik – und Biermarkt
Spitzenprofite winken derzeit aber den Königen der Logistikbranche wie Hapag Lloyd (DE000HLAG475) und Moller Maersk (DK0010244425).

Im Stahluniversum feierte Salzgitter (DE0006202005) ein Rekordhalbjahr, zudem ließ Thyssenkrupp (DE0007500001) die Anteilhaber aufatmen.

Unbeeindruckt zeigen sich Bierkonsumenten: Die Erträge von Carlsberg (DK0010181676) und Heineken (NL0000009165) beschleunigen sich substanziell.

Foto: Carlsberg