Viel Kritik bei Monster-HV
Ungewöhnlicher Ort, schlechte Stimmung, weil viel Kritik … und dem gegenüber dann noch deutliche Abstimmungsergebnisse.
Nicht wie üblich im Festssaal im Haus de Industrie, sondern im Austria Center Vienna fand die außerordentliche Aktionärsversammlung des Feuerfestkonzerns RHI statt. Und nicht nur die Saaltemperatur war kühl, auch die Stimmung. Es fing schon damit an, dass der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Ruttenstorfer die Versammlung leiten musste, weil gegen AR-Chef Herbert Cordt von der letzten ordentlichen Hauptversammlung eine Anfechtungsklage gegen die Wiederwahl anhängig ist. Ruttenstorfer verlas seitenlangen dichtgedruckten Text zu den Beschlussvorschlägen, danach folgten ebenso lang dauernde Päsentationen und formale Erläuterungen von CEO Stefan Borgas und Noch-CFO Barbara Potisk-Eibensteiner. All diese Detailinformationen, die in Summe gut zwei Stunden dauerten, waren formal sicher nötig und tiefgehend-erklärend, stellten aber für das Publikum, zumindest für den überwiegenden Teil der Privataktionäre, die nicht in Gesellschaftsrecht bewandert sind, eine Konzentrationsaufgabe dar. Ging es doch um die formaljuristischen Details der Fusion der RHI mit der brasilianischen Magnesita zur künftigen RHI-MAG N.V. Dazu war die Beschlussfassung über zwei nach österreichischem Gesellschaftsrecht notwendige Schritte zur zweistufigen Umgründung nötig: Nämlich, erstens, über die Abspaltung aller wesentlichen Vermögenswerte der RHI AG in ihre hundertprozentige österreichische Tochtergesellschaft RHI Feuerfest GmbH. Und, im zweiten Teil, die Beschlussfassung über die anschließende grenzüberschreitende Verschmelzung der RHI AG auf ihre hundertprozentige niederländische Tochtergesellschaft RHI-MAG N.V. Mit dem zweiten Schritt wird die RHI-MAG N.V. zur Konzernholding.
Laut CEO Borgas werde mit diese Umgründung der Weg frei für ein „schlagkräftiges Unternehmen mit Technologieführerschaft, das den weltweiten Feuerfestmarkt anführt“. Geleitet solle das neue Unternehmen von einem europäisch-brasilianischen Managementteam von Wien aus werden. Der Verwaltungsrat („Board of Directors“) der RHI-Magnesita N.V. werde aus 19 Direktoren bestehen: zwei geschäftsführenden Direktoren, CEO Borgas und dem designierten CFO Octavio Lopes, und weiteren 17 nicht-geschäftsführenden Direktoren, davon sechs aus dem Kreis der Arbeitnehmervertreter. Sieben der verbleibenden elf nicht-geschäftsführenden Direktoren werden als unabhängige Direktoren gemäß dem UK Corporate Governance Code des UK Financial Reporting Council bestellt. Zwei davon sollen Österreicher sein: Ruttenstorfer und Karl Sevelda.
Unmittelbar nach Rechtswirksamkeit der Verschmelzung und Zulassung der Aktien der RHI-MAG N.V. zum Handel im Premium Segment an der Londoner Börse könne das Closing der Akquisition der Magnesita durch die RHI-MAG N.V. Gruppe erfolgen. Laut Zeitplan sei das Closing der Transaktion für Ende Oktober 2017 vorgesehen. Dazu zählen die Erfüllung der fusionskontrollrechtlichen Auflagen des Verkaufs von drei europäischen Werken, die Vorbereitung des Listings an der London Stock Exchange und die Detailplanung der Integrationsmaßnahmen zur Zusammenführung der beiden Unternehmen. Die HV werde künftig in Arnheim, Amsterdam oder am FH Schiphol stattfinden.
Wie erwartet hagelte es von Seiten missbilligender Aktionäre Kritik an der Form, Kosten und Risiken des Deals, an Magnesita, an den handelnden Personen, am neuen Börseplatz London, am neuen HV-Ort unter anderem: All das sei zum Nachteil der heimischen Aktionäre. Wilhelm Rasinger, Rupert Heinrich Staller, Berthold Berger und andere und auch Aktionäre aus Deutschland hielten das Podium mit kritischen Kommentaren („Partikularinteressen, massive Einschränkung der Aktionärsrechte, persönlich enttäuscht, wesentliche Verschlechterung der Lage des Streubesitzes, ärgerlich, schade um das traditionsreiche Unternehmen, schwarzer Tag für die Aktienkultur …“) und Forderungen auf Trab, sodass die HV von neun Uhr früh bis in den Abend dauerte.
Bei den Abstimmungen ging dann aber – trotz all der Kritiken – die Spaltung und die anschließende grenzüberschreitende Verschmelzung der RHI AG auf ihre hundertprozentige niederländische Tochtergesellschaft RHI-MAG N.V. mit einer Mehrheit von gut 99,7 % der abgegebenen Stimmen durch. Die Zahl der nein-stimmenden (und Widerspruch erklärenden) Aktionäre im Saal war zwar zahlenmäßig auffällig, aber summierte sich dann doch nur auf unter 0,3 %. Und das, obwohl Gegenstimme und Widerspruch zu Protokoll formal nötig waren, um Anspruch auf das Barabfindungsangebot von 26,5 Euro zu haben. Ähnlich bei den Abstimmungen über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und über die AR-Vergütung: Optisch viele Gegenstimmen, aber letztlich doch deutliche Zustimmungen.
„Mr. RHI“ Helmut Longin (ex-CEO und -AR-Chef) meinte danach zum Börsen-Kurier: „Ich bin froh, dass die Beschlüsse über die Bühne gegangen sind und hoffe, dass der Deal noch heuer abgeschlossen wird: Um am Weltmarkt Höchstleistungen vollbringen zu können!“
Autor: Mag. Manfred Kainz (redaktion@boersen-kurier.at)