Live aus der HV: Zweifaches Jubiläum für Kapsch
Nach den Squeeze-out-HVs von BWT und conwert wieder eine „normale“ Aktionärsversammlung. Mit schöner Dividende und 100 % Zustimmungsraten.
War es Zufall oder signifikantes Meinungsbild? In den Tischgesprächen mit Aktionären beim Buffet im Anschluss an die HV der Kapsch TrafficCom hörte man viel Lob und Anerkennung für den Vorstandvorsitzenden Georg Kapsch. Und das lag wohl nicht daran, dass sich der CEO unter die Aktionäre mischte um noch das eine oder andere Gespräch mit „seinen“ Streubesitzern zu führen (und sich zu stärken). In den gut zweieinhalb Stunden davor lief eine HV ab, die (nach den Squeeze-out-HVs von BWT und conwert im August) als angenehm normal bezeichnet werden kann. Nicht normal – im positiven Sinne – ist, dass der Anbieter von „Intelligent Transportation Systems (ITS)“ heuer gleich zwei schöne Jubiläen feiert: Einerseits 125 Jahre Kapsch und andererseits den zehnten Jahrestag der Börsenotiz der Kapsch TrafficCom. Abgesehen davon ließ der CEO die „Highlights“ des Geschäftsjahres 2016/17 Revue passieren, wie die Akquisition der KTT, die das Produktportfolio deutlich erweiterte („von der Autobahn in die Stadt“). Am globalen Markt gab es „bedeutende“ Verträge über Mautsysteme mit mehrjährigen Laufzeiten in Australien, Brasilien, Südafrika, USA und Tschechien zu berichten. Das ermögliche eine „nachhaltige“ Dividendenpolitik, die dem Unternehmen die nötige Flexibilität einräume, um auf Marktentwicklungen zu reagieren: Basisdividende von 1 E plus ein Drittel des Konzern-Periodenüberschusses. Wobei dieser Wert je nach wirtschaftlicher Entwicklung, Marktumfeld und Kapitalbedarf für anstehende Projekte über- oder unterschritten werden kann. Aber über einen „Durchrechnungszeitraum“ von drei Jahren soll es zumindest eine durchschnittliche jährliche Ausschüttung in Höhe der Basisdividende geben. Der Aktienkurs habe mit fast 41% Plus einen „positive Entwicklung“ genommen. In den ersten Monaten des jungen Geschäftsjahres 2017/18 stand die Übernahme der restlichen 67 % des mexikanischen Verkehrstelematik-Unternehmens Simex auf der Agenda, sowie zahlreiche Aktivitäten in den Amerikas, Südafrika, anderen Emerging Markets, Polen und Tschechien.
Viel Forschung
Im Q&A mit den Aktionären sah Kapsch nur beschränkte Konkurrenz durch die Geschäftsmodelle von Google und Co. Den „individuellen Bedarf“ wie etwa das Finden eines Behindertenparkplatzes würden diese nicht abdecken. Zum Zukunftsmarkt Autonomes Fahren beschäftige sich das Solutions Center Vehicles mit Kfz-Kommunikation, automatisiertem und assistiertem Fahren. Für Chief Technical Officer Alexander Lewald sind Fahrassistenzsysteme ein Akzeptanz- und Standardisierungsthema in Zusammenarbeit mit Kfz-Zulieferern. Die Herausforderung für Kapsch als Infrastrukturprovider sei der Marktzugang: man arbeite daran. Was „disruptive“ Mitbewerber von außerhalb der eigenen Branche betrifft, „zerstören wir lieber selbst unsere Lösungen“, als es von anderen zuzulassen, so Kapsch selbstbewusst. „Wir wollen nicht die Taxibranche sein, die von Uber zerstört wird.“ Deshalb sei man mit Projekten auch bei EU-Forschungsförderungsprogrammen wie Horizon 2020 aktiv. Was Aktionärslob für den hohen 13 %igen Forschungskoeffizienten von Kapsch TrafficCom einbrachte. Georg Kapsch: „Es kommt nicht auf den Input an, sondern auf den Output.“ Insgesamt punkte man bei den globalen Kunden manchmal über den Preis, manchmal könne man die gesamte Wertschöpfungskette anbieten. COO Andre Laux: „Wir können uns sehr adaptiv verhalten“, das heißt gut an regionale Gegebenheiten anpassen und auf örtliche Gepflogenheiten eingehen. Aktionärslob gab es auch für die Mitarbeiterbeteiligung „für die Putzfrau bis hinauf“. Angesprochen auf seine Haltung zur rechtlichen Unterscheidung von Arbeitern und Angestellten bezeichnete Kapsch (der ja auch Präsident der Industriellenvereinigung ist) die Unterscheidung als grundsätzlich „anachronistisch“, wobei man im Unternehmen selbst nur wenige Arbeiter habe.
Gefragt nach einem „Zuckerl“ für die Aktionäre anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Börsenotiz, könne man „über einen Aktionärstag nachdenken“. 125 Jahre Kapsch feiert man mit der „Night of Dedication“ im Wiener Konzerthaus.
In den Abstimmungen erhielt der Dividendenvorschlag von 1,50 Euro je Aktie die 100 %ige Zustimmung, genauso die Entlastung des Aufsichtsrates. Bei der Vorstandsentlastung gab es nur eine Gegenstimme. Anlässlich der Wahl des Abschlussprüfers PwC äußerte ein bekannter Aktionär mit Rückblick auf die Conwert-HV seine Bedenken bezüglich „unternehmensfreundliche Gutachten“ dieses Prüfungshauses.
Autor: Mag. Manfred Kainz (redaktion@boersen-kurier.at)