Kaufleute mit Vision

Die Wiener Immobilien-Investmentgesellschaft S Immo AG punktet mit einem guten Gespür für aufkeimende Stadtgebiete – wie derzeit in Leipzig. Ein Börsen-Kurier-Lokalaugenschein.

„Entscheidend für den Erfolg ist die Entdeckung günstiger Objekte mit Potenzialen, die vom Mitbewerber nicht erkannt werden“, ist Ernst Vejdovszky, Vorstandsvorsitzender der S Immo AG, überzeugt. Das klare Konzept: günstig kaufen, mit Verve kreative Ideen für Bewirtschaftung und Entwicklung umsetzen und möglichst teuer verkaufen. Im Rahmen eines vergleichsweise breit gestreuten Portfolios: Rund ein Viertel des Immobilienvermögens von 1,75 Mrd Euro sind Wohnimmobilien, der Rest Gewerbeobjekte, also Büro, Retail und Hotels – geografisch konzentriert auf die Großstädte in Österreich, Deutschland und die Hauptstädte in Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Kroatien und Rumänien.

Das entscheidende Asset: So lassen sich je nach geografischer Marktlage die unterschiedlichen Immobilienzyklen nutzen. Über den Kauf bestehender Objekte und die Entwicklung neuer Projekte. Und cash machen: „Wir sind keine Sammler von Assets“, so Vejdovszky, wie der Verkauf von 20 % des Deutschland-Portfolios 2016 beweise.

Dabei laufen freilich nicht alle Objekte so gut wie jenes in der Berliner Sonnenallee, wo dank der antizyklischen Herangehensweise ein sattes Plus von 120 % auf die Investitionskosten realisiert wurde. In Leipzig, der zehntgrößten Stadt Deutschlands und der größten in Sachsen, bahnt sich aber ein ähnlicher Erfolg an.

Verborgene Schätze
Manchmal braucht es einen längeren Atem. Wie in Leipzig, wo die S Immo bereits 2006 vorwiegend in Wohnimmobilien eingestiegen ist. „Unser Engagement haben wir vor rund vier Jahren wieder intensiviert – mit einzelnen Objekten und nicht mit großen Paketen“, erzählt Robert Neumüller, Geschäftsführer der S Immo Germany, beim Stadtrundgang dem Börsen-Kurier. Im Fokus stünden nun Gewerbe und Wohnobjekte mit Gewerbeanteil.

Manchmal braucht es auch Mut – etwa jenen, in „Deutschlands gefährlichste Straße“ zu investieren: Die im Osten der Stadt gelegene, zwei Kilometer lange Eisenbahnstraße – eine Stichstraße zum Leipziger Hauptbahnhof, dem größten Kopfbahnhof Europas – ist wegen der dort hohen Kriminalität im Zuge von Drogenhandel, Bandenfehden und Gewaltdelikten medial ordentlich in Verruf geraten. Dass gerade hier drei von den 38 Objekten der S Immo in Leipzig stehen, hat freilich einen guten Grund: Der Osten zählt seit 2014 zu den am raschesten wachsenden Stadtgebieten. Die Eisenbahnstraße, einst DDR-Flaniermeile und nach der Wende zum Boulevard des Leerstands verkommen, lockt immer mehr junge Mieter – Studenten, Künstler, Akademiker. Jene, die das noch günstige Mietniveau des Viertels nützen wollen. Jene, die von Crystal Meth & Co. nichts wissen wollen – und das Grätzel durch ihren Zuzug aufwerten, es gentrifizieren, wie es in der Fachsprache heißt.

Das jüngste Objekt hat die S Immo im Juli einem dänischen Investor abgekauft. Ein ziemlich tristes Eckhaus. Für Neumüller steckt hinter dem desolaten Gründerzeithaus freilich ein verborgener Schatz: „Derzeit ist die Mieterstruktur katastrophal, Überbelegung und Wohnverhalten zerstören die Substanz.“ Über auslaufende Mietverträge und Sistierungen aufgrund von Zahlungsverzug oder Bausubstanz-schädigendem Verhalten hätte man sich einen Rahmen von drei bis vier Jahren gesetzt, um das Haus zu entmieten, zu entkernen, zu renovieren und neu zu vermieten. „Dann sollte die Miete jenseits der acht statt der aktuellen vier Euro pro Quadratmeter liegen“, so Neumüller.

Ein paar Häuserblöcke weiter steht das zweite Eckhaus – und dieses beeindruckt: bestens renoviert, ein trendiger Bioladen mit einer Kundin, die soeben beschwingt ihr Fahrrad besteigt und davonfährt. Das gelungene Beispiel für die Firmenphilosophie, die derzeit auch im dritten Objekt, ebenfalls einem Eckhaus, in einer nahen Seitengasse verwirklicht wird: „Über die Einmietung eines attraktiven Gewerbes im Erdgeschoß, dreht sich die Zuzugsspirale qualitätsvoller Mieter unweigerlich nach oben.“ Und dafür geht die S Immo auch in Vorlage: Der Geruch der frischen Farbe besticht ebenso wie die vorderhand rudimentäre Verkabelung – „für die Öffnung der hausinternen Infrastruktur warten wir auf die Wünsche des potentiellen Mieters“, erklärt Neumüller. Nach deren Umsetzung setze man auf günstige, aber befristete Verträge, um in der Folge die Kosten wieder einzuspielen.

Attraktive Aktie
Mittlerweile ist der mit 850 Jahren traditionsreichste Messestandort Deutschlands zu einer der meist beachteten Städte avanciert: Laut der eben publizierten Studie des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut HWWI liegt Leipzig auf Platz Zwei der 30 deutschen Städte mit den größten Zukunftschancen. Im Vergleich zu Berlin, das vor allem für Repräsentationszwecke gefragt sei, stehe die sächsische Großstadt für Arbeit, Effizienz und Kostennutzen, wie Stefan Sachse, Geschäftsführer von BNP Paribas Real Estate, beobachtet – vor allem im Dienstleistungsbereich: „Im Deutschland-Ranking steht Leipzig da in den letzten fünf Jahren immer auf dem ersten Platz.“

Fakt ist, dass die S Immo ziemlich solide dasteht: Die Mietrendite liegt Ende September bei 6,2 %, der Vermietungsgrad bei 93,9 % und die Immobilienprojekte lassen spannendes Wachstum erwarten: Das Budget von rund 646 Mio Euro entfällt mit 38 % auf Deutschland (etwa Berlin Neukölln), gefolgt von Österreich mit 33 % (Siebenbrunnengasse, Quartier Belvedere Central) und den CEE-Ländern mit 29 % (Slowakei – Bürogebäude Einsteinova, Rumänien – Bürogebäude The Mark, Sun Plaza).

All das mit ein Grund für das Interesse bekannt engagierter Investoren wie Petrus Advisers, die ihren 3,9-%-Anteil Ende August mit einem Gewinn von 73 % binnen eineinhalb Jahren verkauft hat, oder Ronny Peczik, der im heurigen Frühling rund 11 % erworben hat und damit zum größten Aktionär avanciert ist – neben den beiden Kernaktionären Erste Group und Vienna Insurance Group, die jeweils rund 10 % am Unternehmen halten.

Das höhere Umsatzvolumen, der hohe Streubesitz von 79 % und das satte Kursplus von 48,7 % auf 14,795  Euro per Ultimo September waren Auslöser für die Aufnahme in den ATX – und sollten die Attraktivität der Aktien weiter stärken.

Autorin: Mag. Caroline Millonig  (redaktion@boersen-kurier.at)