Wie ernst ist der Inflationsanstieg?
Die Preise steigen weltweit an. Raiffeisen-Experte Peter Brezinschek liefert eine Analyse.
Raja Korinek. Kaum ein Thema sorgt derzeit für derart viel Aufsehen wie die steigende Inflation. Für Peter Brezinschek, Chefanalyst bei Raiffeisen Research, kommen die jüngsten Entwicklungen wenig überraschend, wie er bei seinem Vortrag „Delta, Tapering und Inflation – eine Gefahr für die Aktienmärkte?“ am 15. Kongress des Zertifikate Forums Austria festhielt. Brezinschek meint, grundsätzlich sei er ein Optimist. „Doch die Gefahren nehmen zu. Die Entwicklungen in den kommenden Monaten werden entscheidend sein.“
Gemeint sind die steigenden Preise rund um den Globus und deren Auswirkungen auf die Zinslandschaft. Denn nach den harten Lockdowns ist seit Jahresbeginn 2021 ein kräftiger wirtschaftlicher Aufholprozess in Gang. Schließ-lich können Konsumenten ihr Geld wieder ausgeben, „nach Monaten des Zwangssparens“. Auch gibt es jede Menge Investitionsrückstau. Obendrein seien Einkommen und die Entwicklung am Arbeitsmarkt zügig in eine Normalisierungsphase eingetreten, so Brezinschek. Dies hat zuletzt zu einer steigenden Inflation geführt.
Lieferengpässe als kurzfristige Preistreiber
Wenig hilfreich seien Brezinschek zufolge die Lieferengpässe, sie sorgen für weiteren Preisdruck nach oben. Mit ein Grund ist der Containermangel in Asien, der für einen Rückstau bei vielen Waren nach Europa und in die USA sorgt. Viele Unternehmen überdenken deshalb ihre Lagerhaltung, betont Brezinschek. Bislang wurde aufgrund der Globalisierung meist erst dann bestellt, wenn Waren gebraucht wurden. Auf Vorrat wurde möglichst wenig gehalten.
Die aktuellen Entwicklungen könnten nun dazu führen, dass Unternehmen wieder verstärkt auf Lagerhaltung setzen. „Das könnte ebenfalls zu weiter steigenden Preisen führen“, betont der erfahrene heimische Volkswirt. Und dann sind da freilich noch die steigenden Energiepreise, die ebenfalls die Teuerung anheizen.
Ob all dies zu einer dauerhaften Inflation führen wird oder nur temporär ist, das bleibe laut Brezinschek abzuwarten. Er meint jedenfalls, „Inflation ist ein Prozess ständig steigender Preise und Löhne, somit einer dauerhaften Entwertung des Geldes. In gut zwei Jahren wird man sehen, ob dies auch auf die jüngste Entwicklung zutrifft.“
Demografie und CO2-Steuern im Fokus
Brezinschek verweist in diesem Zusammenhang auch auf Aspekte abseits der Lieferengpässe, die auf längerfristige Sicht zu steigenden Preisen führen dürften. Er zählt dazu etwa die demografische Entwicklung weltweit. Mit einer zunehmend alternden Gesellschaft schrumpfe die Zahl an verfügbaren Arbeitskräften, während die Zahl der Pensionisten immer weiter steige. Ein schrumpfender Pool an Arbeitskräften könnte freilich allmählich zu einem Lohndruck nach oben führen. Oben-drein dürften die geplanten CO2-Steuern für einen weiteren Preisschub sorgen, so zum Beispiel beim Tanken und beim Heizen.
Die Notenbanken seien weltweit in Bezug auf die Inflationsentwicklung jedenfalls auf der Hut, betont Brezinschek. In den USA möchte die FED bereits zu Jahresende mit der Drosselung der Anleihekäufe beginnen. Sie hat zudem kürzlich klargestellt, dass eine erste Zinsanhebung im kommenden Jahr nunmehr durchaus realistisch ist. „Aus der Historie wissen wir, dass es bei einer Anhebung aber nicht bleibt.“ Demgegenüber zeige sich die EZB derzeit noch recht gelassen, betont Brezinschek. Fraglich bleibe allerdings, ob sie sich allzu lange gegen globale Tendenzen in Richtung einer allmählichen Normalisierung der Geldpolitik stemmen könne.
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