KESt-Befreiung hätte auch volkswirtschaftlich Vorteile

Vieles spricht für die Steuerbefreiung von längerfristigen Gewinnen.

Michael Kordovsky. Aktien, die ab dem 1. Jänner 2011 angeschafft wurden und ab dem 1. April 2012 veräußert werden, unterliegen in Österreich generell der KESt, die 2016 auf 27,5 % angehoben wurde. Zuvor galt bei Aktien eine Spekulationsfrist von einem Jahr. Behielt man die Aktien länger als ein Jahr, waren die realisierten Kursgewinne danach steuerfrei, innerhalb der Frist unterlagen sie dem individuellen Einkommenssteuertarif.

Angenommen ein Anleger erzielt binnen drei Jahren 70 % Kursgewinn mit einer Aktie, bleiben nach 27,5 % KEST-Abzug (die von inländischen Banken einbehalten und abgeführt werden) davon nur noch 50,75 % übrig und die Transaktionsspesen fallen stärker ins Gewicht. Das dämpft die Freude an Aktieninvestments, was die Wiener Börse gegenüber dem Börsen-Kurier wie folgt quantifiziert: „Die durchschnittlichen Monatsumsätze beliefen sich 2011 auf 5,03 Mrd Euro und gingen 2012 auf 3,01 Mrd Euro zurück, obwohl der ATX 2012 deutlich positiv performte.“ Gleichzeitig begleiteten unmittelbar sinkende Zugriffszahlen auf der Wiener-Börse-Webseite diese Entwicklung im Jahr 2012 – ein wahrscheinliches Indiz für eine abnehmende Aktivität der Privatanleger.

Im Niedrigzinsumfeld Sparbuchalternativen fördern
Die Wiener Börse nennt explizit folgende Gründe, die für eine Wiedereinführung der Behaltefrist sprechen, nämlich:

• Das wäre ein wichtiger Schritt zur Bildung einer breiteren Aktionärsbasis in Österreich.

• Langfristige Orientierung und Investition in die heimische Realwirtschaft sollte im Gegensatz zu kurzfristiger Spekulation belohnt werden.

• Gerade im derzeitigen Niedrigzinsumfeld müsste der Zugang zum Investieren erleichtert werden.

• Personen mit langfristigem Anlagehorizont sollten ihr bereits versteuertes Arbeitseinkommen steuerfrei veranlagen können.

Das wichtigste Argument skizzierte die Wiener Börse uns gegenüber wie folgt: „Aktien sind mit der richtigen Strategie (langfristig, breit gestreut, Stück für Stück, niedrige Gebühren) ein wichtiges Instrument für den Vermögensaufbau. Die Österreicherinnen und Österreicher suchen aktiv nach Veranlagungsmöglichkeiten. Bis dato hat ein Großteil das – früher auch akzeptabel verzinste – Sparbuch genützt. Aktien als Teil der Realwirtschaft sollten hier gefördert werden. Diese Maßnahme unterstützt den breiten Mittelstand, der aus bereits versteuertem Arbeitseinkommen veranlagt und dessen Kaufkraft jährlich dahinschmilzt. Der Zugang über die Kapitalmärkte ist geregelt und transparent.“

Volkswirtschaftlich auf den Punkt bringt es Christoph Boschan, der CEO der Wiener Börse: „Die Wiedereinführung der Behaltefrist regt zum Investieren an, nicht zum Spekulieren. Diese Mittel werden wir für die Transition in die CO2-freie Zukunft, den demografischen Wandel und die Innovationssicherung brauchen. Diese richtige Maßnahme kommt außerdem zum richtigen Zeitpunkt für den breiten Mittelstand, der nach Veranlagungsalternativen zum Sparbuch sucht.“

Hinzukommt bei stärkerer Aktiennachfrage ein höheres Eigenkapital-Finanzierungspotenzial für Unternehmen, zumal es vor allem für mittelständische Unternehmen tendenziell schwieriger wurde, an Bankkredite heranzukommen. Auf Umwegen einer höheren Investitionstätigkeit würden durch steuerliche Förderung von Aktien auch neue Arbeitsplätze entstehen.

Regierungsprogramm rasch umsetzen
Auf die Frage des Börsen-Kurier bezüglich gewünschter weiterer Reformen, die den Finanzplatz Wien betreffen, antwortete die Wiener Börse: „Die rasche Umsetzung des vorliegenden Regierungsprogrammes. Es beinhaltet wichtige Bausteine, um privates Kapital zu aktivieren und Unternehmertum in Österreich zu stärken. Außerdem eine Stärkung von Finanz- und Wirtschaftsbildung – hier wurde mit der ‚Nationalen Finanzbildungsstrategie‘ bereits eine Initiative auf den Weg gebracht, bei der die Wiener Börse sich einbringt. Zusätzlich sollte regulatorisches ‚Gold Plating‘ abgebaut werden sowie Entbürokratisierungen und eine Stärkung der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge erfolgen.“

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