KI trifft auf Tradition

KI wird sowohl Beratung als auch Produktgestaltung in der Vorsorge verändern.

Christian Sec. Der österreichische Versicherungsvertrieb ist trotz aller technologischer Revolutionen ein klassischer Vermittlermarkt geblieben. Der Prämienanteil digitaler Abschlüsse im Versicherungsgeschäft lag 2022 bei gerade einmal 0,5 %. Im Vergleich dazu liegt dieser Anteil in Großbritannien bei rund 30 %. Auch mittelfristig wird der „Digitale Abschluss“ in Österreich nicht über ein Marktvolumen von 5 % steigen, prognostiziert Arno Schuchter, ehemaliger Vorstandsdirektor der Generali, während eines Symposiums.

Daher wird es künftig darum gehen, neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz (KI) in den Prozess der klassischen Beratung zu integrieren. „Die Frage wird sein, wie gut es gelingt, eine Veränderungsbereitschaft in einer Organisation zu erzeugen“, erklärt der Change-Manager Kurt Mayer gegenüber dem Börsen-Kurier. Eine Studie von Roland Berger wagt einen Blick in die nahe Zukunft und zeigt dabei auf, wie die vertriebliche Realität im Jahr 2028 aussehen wird.

KI in Kundengesprächen
Einfache Beratungsgespräche, wie Fragen über Abrechnungen, werden dann rund um die Uhr über einen Chat-Bot bzw. virtuellen Assistenten ablaufen. Bei manchen Versicherern in Deutschland läuft mittlerweile die KI schon bei Kundengesprächen mit, sodass diese bereits während des Kundengesprächs dem Berater Hinweise darüber geben kann, welche anderen Produkte dem Kunden vorgeschlagen werden können – und zwar in Abhängigkeit davon, welche Antworten der Kunde gibt.

Beim Beratungsprozess wird die KI bei der Vorbereitung von Kundenterminen, aber auch bei der Nachbereitung (z. B. für die Erstellung eines neuen Angebotes) eingesetzt werden, erläutert Claudia Fell von Roland Berger.

„Es geht darum, die Berater mittels Datenanalyse in der Beratung bestmöglich zu unterstützen und eine großartige Beratungserfahrung zu bieten“, so Wolfgang Gerlach, Vorstand für Operations, Data und IT bei der Uniqa, auf Börsen-Kurier-Anfrage. In einem Pilotprojekt entwickelte die Uniqa einen KI-Chatbot, der per Knopfdruck Auskunft darüber gibt, ob eine gewisse Kundensituation gedeckt ist, welche Rahmenbedingungen gelten oder ob ein zusätzlicher Versicherungsbaustein benötigt wird.

99 % aller Organisationen, die KI-basierte virtuelle Agenten nutzen, erfahren eine verbesserte Kundenzufriedenheit, erklärte auch Aldo de Rubertis von IBM-Senior Consultant auf einer Veranstaltung.

Individuellere Modelle
Mittelfristig hat mit dem Aufkommen der KI das One-Size-Fits-All-Produkt ausgedient, sind sich Experten einig. Noch basiert z. B. die Lebensversicherung auf statistischen Durchschnittswerten bzw. auf Risikogruppierung. Nun werden jedoch schon „Pay as you live“-Modelle auch für die Gesundheitsversicherung heiß diskutiert. Die Nutzung von Wearables in Kombination mit KI erlaubt die systematische Analyse von Aktivitäten und gesundheitsbezogener Daten einzelner Personen in Echtzeit und damit die Berücksichtigung von Echtzeitdaten in der Tarifgestaltung.

Zu Ende gedacht, wäre das Ergebnis in letzter Konsequenz ein dynamisches Preismodell: mit kontinuierlicher Prämienanpassung. Dieser Anreize würde den Versicherten motivieren und gute Risiken belohnen sowie das versicherungstechnische Risiko, schlechte Risiken einzukaufen, ausschalten. Die Frage ist, ob der Kunde die dafür nötigen Daten der Versicherung zur Verfügung stellen würde. Hier ist wohl die Vorsicht in Kontinentaleuropa größer als global. Eine Studie von Remark zeigt, dass zwei Drittel der befragten Konsumenten weltweit dem Teilen von Wearables-Daten nicht ablehnend gegenüberstehen, vor allem dann, wenn eine günstigere Prämie als Lohn lockt.

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