Damoklesschwert Handelskonflikt bedroht Anleger mehr denn je – US-Aktien als Lichtblick
Die Aussichten für Anleger für das zweite Halbjahr dieses Jahres sind getrübt, wie die Zürcher Kantonalbank Österreich AG in ihrem aktuellen Marktausblick festhält. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China droht wegen der neu angekündigten Strafzölle zu eskalieren. In der Eurozone wird die Wirtschaft außerdem weniger stark wachsen als erwartet. Die Europäische Zentralbank (EZB) reagiert darauf mit einer weiterhin expansiven Geldpolitik. Gegenteiliges wird in den USA beobachtet. Dort läuft die Wirtschaft auf Hochtouren, sodass eine Wachstumsbeschleunigung erwartet wird. Den Leitzins will die US-Notenbank Fed weiter erhöhen. Aufgrund des politischen und wirtschaftlichen Status quo rechnet die Zürcher Kantonalbank Österreich AG mit einer Zunahme der Volatilität auf dem Aktienmarkt. (09.07.)
„Das zweite Halbjahr 2018 bietet keine idealen Aussichten für Anleger. Aber für Pessimismus ist es zu früh“, kommentiert Christian Nemeth, Chief Investment Officer und Vorstandsmitglied der Zürcher Kantonalbank Österreich AG, die Geschehnisse auf dem politischen sowie wirtschaftlichen Parkett. Gemeint ist unter anderem die „America first“-Doktrin von US-Präsident Donald Trump. Diese scheint für eine weitere Eskalationsstufe im Handelsstreit zwischen den USA und China zu sorgen. Die Drohgebärden seitens Trumps konkretisieren sich in der Ankündigung neuer Strafzölle. China will darauf reagieren, indem es seinerseits US-Importe besteuern will. In der Binnenwirtschaft der USA zeichnet sich hingegen eine positive Entwicklung ab. Die Arbeitslosenquote sinkt, das Lohnwachstum zieht allmählich an. „In der Eurozone sieht es dagegen nicht so optimistisch aus“, stellt Nemeth fest. Das Wirtschaftswachstum hat sich über den Winter abgekühlt und scheint den Zenit vorerst überschritten zu haben. „Wir rechnen nun für dieses Jahr mit einem geringeren Wachstum.“ Die Europäische Zentralbank (EZB) reagierte bereits mithilfe unterschiedlicher Finanzinstrumente.
Handelskonflikt gefährdet globales Wachstum
Mit 6. Juli 2018 werden Strafzölle in Höhe von 25 % auf China-Exporte in die USA im Umfang von USD 34 Mrd. fällig. Das Reich der Mitte antwortet zeitgleich mit Zöllen auf US-Importe im Umfang von USD 50 Mrd. Nun drohen die USA, weitere chinesische Produkte von bis zu 400 MrdUSD mit einem Zollsatz von 10 % zu belegen. Dies würde praktisch sämtliche Importe aus China in die USA betreffen – vor allem Konsumgüter, wie Autos. „Die USA und China sind weiterhin für Verhandlungen offen. Die Hoffnung auf einen Kompromiss ist aber in weite Ferne gerückt. Sollte der Handelskonflikt eskalieren, wird sich das Weltwirtschaftswachstum spürbar abkühlen und die Inflation steigen. Handelseinschränkungen wirken generell wachstumsdämpfend sowie preistreibend. Laut einer OECD-Studie würde ein permanenter Anstieg der Handelskosten um 10% die globale Wirtschaftsleistung mittelfristig um 1 bis 1,5 % reduzieren“, analysiert Nemeth. Eine globale Rezession schließt der Experte der Zürcher Kantonalbank Österreich AG aber aus.
US-Wirtschaft auf Hochtouren
Ungeachtet der Zuspitzung im Handelskonflikt entwickelt sich die US-Konjunktur positiv. Die aktuellen Konjunkturindikatoren spiegeln die hohe Wachstumsdynamik der amerikanischen Wirtschaft wider. Die Arbeitslosenquote von 3,8% gehört zu der niedrigsten seit 18 Jahren. Arbeitnehmer erhalten sukzessive mehr Lohn. Ebenso zuversichtlich ist das Bild der wichtigen ISM-Einkaufsmanagerindizes. Sowohl in der Industrie wie auch im Dienstleistungssektor gab es eine klare Verbesserung zum Monat Juni. All dies signalisiert eine Wachstumsbeschleunigung. „Wir rechnen für das weitere Quartal mit einem BIP-Zuwachs von 3 bis 3,5 %“, kommentiert Nemeth die Wirtschaftslage der USA. Bezüglich der Geldpolitik der US-Notenbank Fed: Diese hat den Leitzins im Juni um 25 Basispunkte auf 1,75% bis 2% angehoben. Nemeth rechnet aufgrund der starken Konjunktur und der steigenden Inflation in diesem Jahr mit insgesamt vier Zinsschritten der Fed. „Im September und Dezember dürfte der Leitzins nochmals um jeweils 25 Basispunkte angehoben werden. Für das kommende Jahr sieht die Fed weiterhin drei Zinsschritte vor“, erläutert Nemeth.
Abnahme des Wachstums in der Eurozone
Während die US-Wirtschaft boomt, zeichnet sich in der Eurozone ein gegenteiliges Bild ab: „Wir rechnen nun neu mit einem Wirtschaftswachstum von 2 % anstatt von 2,2 % in diesem Jahr. Dies liegt aber immer noch deutlich über dem langfristigen Durchschnitt“, analysiert Nemeth. Während es im Dienstleistungssektor bis dato stets gut läuft, sind die Industrie und der Außenhandel mit Hindernissen konfrontiert. So ist der Einkaufsmanagerindex für Industrie seit sechs Monaten rückläufig. Zudem hinterlassen globale Handelskonflikte und die weltweit politischen Unruhen erste Spuren in den Wirtschaftsdaten. Durch die Geldpolitik der EZB erhält die Wirtschaft jedoch Rückenwind. Im Juni dieses Jahres haben die Währungshüter beschlossen, die Wertpapierkäufe nochmals um drei Monate bis Ende des Jahres zu verlängern. Die Leitzinsen bleiben laut der EZB mindestens bis zum Ende des Sommers 2019 auf dem aktuellen Niveau.
Volatilität am Aktienmarkt nimmt zu
Für Anleger bedeuten die jüngsten Entwicklungen, dass die Verletzlichkeit der Aktienmärkte tendenziell zunimmt und vermehrt mit Schwankungen zu rechnen ist. In diesem Umfeld hat die Zürcher Kantonalbank Österreich AG ihren Anlage-Favoriten identifiziert: „Das Konjunkturbild spricht aktuell für eine überdurchschnittliche Kursentwicklung nordamerikanischer Aktien. Außerdem entwickelt sich der US-Markt in unruhigen Zeiten zumeist besser als die volatileren Börsen in Europa“, analysiert Nemeth die Aussichten für das zweite Halbjahr 2018. Aus diesem Grund hat die Privatbank auch eine Übergewichtung von US-Aktien zu Lasten europäischer Titel vorgenommen. Bezüglich Staatsanleihen: Sichere Anlagen profitierten in den letzten Wochen von der gestiegenen Nervosität an den Finanzmärkten. „Diese Anlageklasse ist deshalb nochmals teurer geworden. Blendet man den Handelskonflikt aus, spricht das fundamentale Umfeld weiterhin für steigende Rendite bzw. fallende Anleihenkurse. Wir bleiben daher bei Staatsanleihen untergewichtet“, kommentiert Nemeth, der zum Schluss noch einen Blick auf Schwellenländer wirft: „Mit der global gesunkenen Risikofreude von Investoren sowie dem stärkeren US-Dollar hat sich das Umfeld dieser Länder etwas eingetrübt. Wir halten aber vorerst an unserer neutralen Gewichtung fest.“